Im Geschäft läuft es momentan tiptop, sportlich ist es härter. Seit dem „Wings for life World Run“, hatte ich Schmerzen an der linken Fusssohle und wusste nicht wie so. Nach dem „Ultra Bielersee“ war zudem meine linke Wade total verhärtet. Da die Fusssohle einfach nicht besserte, habe ich einen Physio-Termin vereinbart. Miguel knetet dann prompt eine Verhärtung tief im Wadenmuskel und knetet mir diese unter Schmerzen (für mich) raus. Ich werde ab sofort meine Dehnübungen täglich machen!!!
Die Rahmenbedingungen also momentan nicht ideal zum trainieren. Die Saison naht aber und ich brauche noch Kilometer und vor allem auch Höhenmeter. Also will ich am Samstag Abend wieder mal einen langen Lauf machen. ich habe mir dafür den „Drei Antennenlauf“ vorgenommen. Die Route führt von Aarau über das Roggenhusen weiter bis zum Sendemast Engelberg oberhalb Walterswil. Dann weiter über das Säli Schlössli nach Olten. Dort gibt es etwas vor Streckenhälfte die Möglichkeit „aufzutanken“, bevor es hoch zur Frohburg geht, wo die zweite Antenne steht. Dann alles über die Jurahöhen bis zum Sendemast Wasserfluh. Dann der Abstieg zurück nach Aarau. Insgesamt etwa 48km mit 1700 Höhenmeter Auf- und Abstieg. Ich rechne mit einer Laufzeit von ca. 6.5h.
Da Silvia am Samstag an einem Kurs ist, muss ich hüten und kann erst vor 17:00 Uhr in Aarau starten. Es ist super Wetter und als ich mit „Vollpackung“ und Trekking-Stöcken der Aare entlang laufe, schauen mich die Leute teilweise etwas komisch an. Nach wenigen hundert Metern bin ich dann aber alleine unterwegs und es geht in den Wald Richtung Roggenhusen. Ich versuche bewusst defensiv zu laufen, damit ich nicht zu früh meine Energiereserven unnötig verschleudere. Die Garmin Fenix-Uhr funktioniert nicht richtig und die Route wird nicht angezeigt. Zudem fällt sie immer wieder in den Energiesparmodus und dann wird die Pulsmessung nicht mehr angezeigt. Die Bergaufstrecken marschiere ich alles und habe dann Zeit, mit der Uhr zu experimentieren. Im Roggenhusen hat es dann nochmals Leute, danach treffe ich bis Olten fast niemanden mehr an.
Die Uhr ist das eine, mein Körper das andere. Da die Fusssohle immer noch schmerzt, laufe ich wahrscheinlich nicht genau symmetrisch. (Oder weil ich nicht symmetrisch laufe, schmerzt die Fusssohle?) – Auf jeden Fall zwickt es mich auch schon bald in der linken Hüfte. Nach so 12km frage ich mich, wie ich auf die Idee gekommen sein kann, mich für den Eiger Ultra Trail anzumelden. Bis jetzt bin ich immer davon ausgegangen, dass ich diesen schaffen kann. Heute habe ich Zweifel, dass ich auch nur bis zur Hälfte kommen werde. – Die Zweifel bringen mich aber nicht weiter und so beschäftige ich mich gedanklich mit anderen Themen. Auch mit der Uhr übe ich weiter und finde heraus, dass einfach nicht die gesamte Route drauf ist und die Navigation etwas später funktionieren wird.
Ganz hinten ist die Antenne „Engelberg“ zu erkennen.
Ich marschiere recht viel, was mir eigentlich passt. Allerdings habe ich dann das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen. Etwa jede Stunde konsumiere ich einen Energie-Gel, damit mir der Brennstoff nicht ausgeht. Ein Snicker-Riegel muss auch dran glauben. Wichtig ist auch eine konstante Flüssigkeitsaufnahme. Die Teilstrecke vom Grod zum Engelberg bin ich schon mal in der Gegenrichtung gelaufen. Trotzdem verpasse ich eine Abzweigung und verlasse die geplante Route kurz. Ich merke es rasch und dank Papierkarte und mittlerweile vorhandenem GPS-Track bin ich bald wieder auf Kurs.
Das Wetter ist sensationell und bevor mit der ersten Antenne in naher Sichtweite, komme ich an eine Stelle, wo ich auch meine Retourroute mit den Sendestationen Frohburg und Wasserfluh überblicken kann. Ich habe noch nicht ganz einen Drittel geschafft und es macht ziemlich Eindruck, wenn man sieht, wohin es heute noch gehen soll. Nach rund zwei Stunden dann also der erste Höhepunkt: Antenne 1 „Engelberg“ ist abgehakt.
Tja, so richtig spritzig bin ich nicht und ich überlege mir, direkt nach Olten zu laufen, ohne den Umweg über das Säli Schlössli. Beim Eiger Ultra Trail gibt es aber auch keine Abkürzung, deshalb gibt es die auch heute nicht. Zudem brauche ich trainingshalber möglichst viele Aufstiegs- und Abstiegshöhenmeter und da gibt es beim Säli ein paar. Zuerst aber runter vom Engelberg. Teilweise ist es sehr steil und rutschig. Ich bin froh um die Stöcke. Richtig schnell bin ich aber auch hier nicht. Zum Schlössli hoch ist es dann ziemlich hart und ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu fest verausgabe. Die Strecke ist noch weit!
Der Abstieg dann ziemlich tricky. Die Muskulatur wird ordentlich beansprucht und ich habe Angst, dass ich Krämpfe bekommen könnte. Ich fühle mich nicht gut und bin etwas frustriert. Dann komme ich in Starrkirch-Wil wieder in bewohntes Gebiet. Überall laufen die Grills auf Hochtouren und die Leute geniessen den schönen Sommerabend. Ich frage mich, ob ich irgendwie im falschen Film bin. Ich laufe nicht gerne mit der Trail-Voll-Ausrüstung durch bewohntes Gebiet. Zudem schmerzt immer noch die linke Hüfte, wenn ich renne. Ich versuche möglichst gleichmässig und schonend vorwärts zu kommen. Dann endlich der Bahnhof Olten in Sichtweite. Etwas um 19:30 Uhr erreiche ich dieses Etappenziel. Ganz kurz überlege ich, im Zug zurück nach Aarau zu fahren. Die Idee wird aber sofort geschredert. Ich habe Toiletten-Drang und suche deshalb zuerst eine solche auf. Nachher geht es mir schon viel besser. Dann 2l Wasser und eine Tüte Erdnüsse kaufen. Ich setze mich beim Busbahnhof auf eine Bank und fülle meine Flaschen. Ich will mir Zeit nehmen, dann kommt aber die Einsicht, dass ich besser marschiere und die Erdnüsse esse, als hier auf der Bank zu dinieren. Also alles wieder gepackt und über die Aare weiter. Diese Strecke kenne ich von meinem letzten Lauf Aarau-Olten.
Durch die Stadt geht es im leichten Laufschritt, dann beginnt der Aufstieg von fast 500m auf die Frohburg bzw. noch etwas weiter. Für Jura-Verhältnisse ist das ein ordentlicher Aufstieg. Im alpinen Gelände können gibt es locker die dreifachen Höhenmeter am Stück. Ich versuche auch hier, die Herzfrequenz im Griff zu behalten und halt nötigenfalls das Tempo etwas zu drosseln. Über die Ruine Frohburg geht es weiter zum zweiten Höhepunkt: Der Antenne Frohburg. Diese sehe ich täglich auf meinem Arbeitsweg aus der Ferne. Wenn man dann davor steht, ist es schon noch ein imposantes Getüm.
Die Sonne geht nun unter und auf den Höhen wird es frisch. Ich störe ein Reh beim äsen. Als ich den höchsten Punkt erreicht habe, bin ich zwar froh, ich fühle mich aber nicht unbedingt besser. Ich entscheide mich für eine kurze Pause mit Tenüwechsel und Verpflegung. Ich wechsle auf das wärmere Thermo-Shirt für die Nacht. Zudem werden Dächlikappe und Sonnenbrille gegen die Stirnlampe ausgetauscht. Ich will dieses mal nicht wieder zu spät aufs Licht wechseln und deshalb auf die Schnauze fallen wie letzthin. Ich probiere eine neue Geschmacksrichtung des Energie-Gels. „Mango-Passionsfrucht“. Was sich im Laden so unwiderstehlich angehört hatte, erweist sich im Geschmackstest als gewöhnungsbedürftig. Egal, die Energie bringt er trotzdem. Letzte Woche habe ich schon die Erfahrung gemacht, dass die Jura-Kühe und Pferde sich sehr interessiert zeigen, wenn man in ihre Weiden eindringt. Deshalb keine Überraschung mehr, als die ganze Herde auf mich zu rennt, als ich die erste Weide betrete. Sobald man dann die Hand ausstreckt, weichen die Viecher zurück. Meine Stöcke geben mir zusätzlich etwas Sicherheit.
Gespannt bin ich dann auf die nächste Weide, denn dort waren letztes Mal vier Pferde drin und die waren wirklich lästig, als sie im Galopp auf mich zu kamen. – Ich bin auf alles gefasst. Aber siehe da, die Weide ist leer. – Zu früh gefreut, meine vier „Kameraden“ sind nämlich zusammen mit einer Kuhherde in der nächsten Weide. Hier müsste ich mittendurch und da habe ich jetzt keine Lust. Kühe und Pferde zusammen kann ich nicht einschätzen. Also aussenrum auf Sicherheit. Als Belohnung für den kleinen Umweg sehe ich einen Feldhasen über die Wiese hüpfen. Wunderschön.
Auf den offenen Wiesenflächen geht es noch ohne Lampe. In den Wädern ist es aber schon düster. Ich versuche auf den flachen und bergab Stücken zu laufen. Da es aber viele Steine hat und sehr uneben ist, mache ich lieber langsam, da ich nicht riskieren will umzuknicken. Ich bin im wahrsten Sinne dort, wo Fuchs und Hase einander „Gute Nacht“ sagen. Einen Fuchs treffe ich nämlich wenig später an. Menschen habe ich seit bald zwei Stunden keinen mehr gesehen. Wenn das Terrain gut ist, komme ich im leichten Laufschritt gut voran. Irgendwo zwickt es dann zwar immer, das ist aber erträglich und wird nicht schlimmer. Die Füsse fühlen sich gut an und sich glaube es gibt keine Blasen oder so. Bevor ich zur Schafmatt komme, überlege ich mir wieder eine Abkürzung über Erlinsbach nach Aarau. – Aber auch diese Idee wird gleich wieder verworfen.
So nehme ich den letzten „grösseren“ Aufstieg von knapp 200m auf die Geissflue in Angriff. Dies ist dann der höchste Punkt der Strecke und nachher sind es auch nur noch etwa 12km, welche ich recht gut kenne. Am Horizont Richtung Frankreich ist noch ein schönes Abendrot zu sehen. Ich muss mich aber auf den Weg konzentrieren. Wenn ich mich hier bei einem Sturz verletze, wird es sehr mühsam. Da ich mich auf den Boden und nicht auf die Wanderweg-Zeichen konzentriere, verlaufe ich mich kurz. Interessanterweise finde ich das aber eher interessant als ärgerlich und finde mit Karte und GPS rasch weider auf den richtigen Weg. Dann bin ich auf der Saalhöhe. Ich will eine kurze Rast auf einem Bänkli machen und meine Lage analysieren. Da kein Bänkli kommt, laufe ich einfach weiter und analysiere währenddem. Gemäss Wanderwegweiser benötige ich etwa 30 Minuten bis zur Wasserfluh und nachher nochmals ca. 1h bis Aarau. Das würde bedeuten ungefähr um Mitternacht, nach mehr als 7h unterwegs beim Auto zu sein. Okay, packen wir es an!
Auf der Strecke zwischen Saalhöhe und Wasserflue komme ich richtig in den Flow. Der Single Trail führt immer leicht hoch oder runter und ist von der Bodenbeschaffenheit ziemlich anspruchsvoll. Laufen geht nicht in der Nacht, dafür ein rasches Hiking mit viel Stockeinsatz. Es gibt nur noch mich und den Weg. Keine sonstigen Gedanken mehr. Einfach geil! – Dann hake ich die dritte Antenne „Wasserfluh“ ab. Wir oft hatte ich das blinkende Licht schon aus der Ferne betrachtet. Nun sitze ich genau drunter!
Das Ziel ist aber noch nicht erreicht und ich weiss, dass der Rückweg noch rund eine Stunde dauert. Mit teilweise technisch anspruchsvollem Abstieg. Also nehme ich mir drei Minuten Zeit zum trinken und einen letzten Energie-Gel. Nicht das mir kurz vor dem Ziel der Saft ausgeht.
Die Muskulatur macht besser mit als erwartet und ich habe keine Probleme mit Krämpfen. Die Strecke hier kenne ich gut und deshalb funktioniert es auch mit der Orientierung gut. Ich bin körperlich nicht mehr ganz frisch, mental dafür nun endlich auf der Höhe und so komme ich gut vorwärts. Die letzte Stunde geht rasch durch und genau als die Uhren Mitternacht schlagen, komme laufe ich über die Kettenbrücke. Die Stoppuhr bleibt bei 7:20h und rund 48km stehen. Ab nach Hause, Duschen, Essen, Schlafen.
Lessons learnt:
– Den Ultracs-Modus der Garmin habe ich nicht im Griff. Ich muss rausfinden, wie lange die Batterie hält, wenn ich mit GPS und Herzfrequenz laufe. Wahrscheinlich muss ich mich für den Eiger Ultra Trail auf eines fokussieren.
-Es braucht viel Geduld für solche Läufe. Entscheidend für einen erfolgreichen Finish ist, dass man sich nie verausgabt und stets vorwärts kommt. Es gilt auf jeden Fall Verletzungen oder Überbelastungen zu vermeiden.
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