Schweiz Nord-Süd / Etappe 2 / Rheinfall – Rheinau

Etappe 2: Rheinfall (Schloss Laufen) – Rheinau

Datum: Sonntag, 4. Juni 2017 (Pfingsten)
Strecke: ca. 7.5km
Marschzeit: ca. 1:50h
Teilnehmer: Martin / Silvia

Vorgeschichte

Tja, dass uns der Wirt schon im Vorfeld Geld fürs Zimmer zurückbezahlt, und sich für die Laute Party entschuldigt, welche stattfinden wird, hätte uns eigentlich stutzig machen sollen. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich dem Wirt noch 20.- geben sollen, für die Geschichte, welche ich diese Nacht erlebe.

Es ist 20:30 Uhr, im Zimmer ist es drückend heiss vom Sommertag, draussen geht gerade der kühlende Gewitterregen nieder, im Erdgeschoss nimmt die spontane Geburtstagsparty der Barmaid gerade Fahrt auf. Silvia und ich sind müde und zufrieden. Eigentlich noch keine Zeit um ins Bett zu gehen. Ich freue mich aber einfach auf eine lange erholsame Nacht und habe sonst nichts mehr zu tun für heute. Das Dilemma ist, dass es mit geschlossenem Fenster zu stickig ist im Zimmer, bei geöffnetem Fenster aber ziemlich laut wegen der Party. Da haben wir heute einfach ein schlechtes Timing erwischt mit diesem Hotel! – Ich sehe es nicht so eng, bin aber nicht sicher wie Silvia mit der Situation umgehen wird, denn für sie ist viel Schlaf viel wichtiger als für mich. Ich biete ihr ein Paar Ohropax an und hoffe das Problem dämmt sich damit ein.

Ich lege mich dann ins Bett und versuche ein wenig zu dösen. An Schlaf ist bei diesem Lärm nicht zu denken. Irgendwann wird es dann ruhiger werden oder ich werde trotz Lärm einschlafen. Silvia schliesst das Fenster, öffnet es später wieder und motzt zwischendurch etwas. Ich rege mich nicht und döse einfach vor mich hin. Irgendwann verlässt Silvia das Zimmer, kommt dann einmal wieder zurück, schliesst das Fenster, öffnet das Fenster … Ich döse vor mich hin.

Dann verlässt Silvia wieder das Zimmer, kurz darauf laute Diskussion auf dem Flur mit einer anderen Frau betreffend des Lärms. Ich schaue auf die Uhr: Es ist 1:15 Uhr. Unten immer noch voll Party. Silvia kommt ins Zimmer und ich frage sie nach dem aktuellen Stand. Sie ist vor 22:00 Uhr nach unten gegangen an die Party gegangen und hat dort ein paar Leute kennengelernt. Anscheinend ziemlich spezielle Typen. Um 22:30 Uhr wurden dann die Fenster und Türen geschlossen und sie ist wieder hochgekommen, in der Hoffnung jetzt schlafen zu können. Leider war dies immer noch nicht möglich. So hat sie sich nach 1:00 Uhr nochmals erkundigt, wie lange der Lärm noch weitergehen wird. Um 2:30 Uhr soll dann Schluss sein.

Ich döse weiterhin im Bett, während Silvia aus dem Fenster die Sache beobachtet und die Szenen kommentiert. Ein Betrunkener fällt vor der Bar hin und kann nicht mehr selber aufstehen. Ein zweiter will ihm helfen und liegt nachher auch dort. Als dritter kommt dann Erich dazu, welcher Silvia vorhin seine Lebensgeschichte erzählt hat. Diese erzählt sie nun in Kurzform mir. Ein Betrunkener kann dann aufstehen, der andere bringt sich in den Vierfüsslerstand (ein Begriff, welcher Silvia aus Rückbildungsturnen-DVD’s kennt und nun in Beziehung mit Betrunkenen bringt). Irgendwann kommt ein Taxi, welches aber ohne Passagier wieder wegfährt, da dem Taxifahrer das Risiko eines vollgekotzten Autos im Vergleich zu den paar Franken welcher er verdienen könnte, zu gross ist. Zwischendurch gibt es mal fast eine Schlägerei und ab und zu geht auch ein Trinkglas zu Bruch. Ich döse weiter und irgendwann ist dann tatsächlich Ruhe und nun können wir beide schlafen. – Wenn ich Silvia eine unvergessliche Nacht versprochen hätte, hätte sie sich sicher etwas anderes darunter vorgestellt. Aber unvergesslicher hätte ich es nicht hinbekommen! 🙂

Um 7:00 Uhr geht der Wecker und Silvia verlangt sofort eine Stunde Verlängerung. Die gewähre ich uns. – Um 8:00 stehen wir dann auf und machen uns Marschbereit. Der Wirt steht auch schon wieder bereit und fragt wie die Nacht war. Silvia teilt ihm ihre Meinung mit. Ich muss ab der Geschichte lachen und wir verabschieden uns im guten von ihm. – Morgenessen gibt es dann vom Bahnhofshop. Den angepeilten 8:21 Uhr Zug verpassen wir, 8:48 Uhr passt aber auch noch.

Rheinfall aus dem Zug

Etappe 2: Rheinfall (Schloss Laufen) – Rheinfall

Nach wenigen Minuten Fahrt sind wir wieder beim Schloss Laufen, wo wir gestern unsere Etappe beendet hatten. GPS-Signal suchen, Uhr starten und los geht es zur zweiten Etappe. Vor 9:00 Uhr ist es hier wesentlich ruhiger als gestern Abend und wir sind fast die einzigen Leute auf den Beinen.

Rheinfall

Das Tagesprogramm von heute wird davon bestimmt, dass wir um 17:00 Uhr in Aarau beim Eltern-Anlass des Pfadilagers sein müssen. Wenn wir gut zwei Stunden Rückfahrzeit plus zwei Stunden Wartezeit/Duschen/Umziehen/Marge rechnen, können wir nur bis 13:00 Uhr wandern. Mein Minimalziel „Rheinau“ lässt sich so locker erreichen. Das Maximalziel „Flaach“ wäre grad so in Reichweite, wir müssten aber ordentlich Gas geben. Problematisch ist zudem, dass wir zwischen Rheinau und Flaach keine ÖV-Haltestellen hätten und deshalb keine Möglichkeit um spontan zu verkürzen. Silvia kündigt an, dass sie am Nachmittag noch ein Nickerchen machen will und so ist klar, dass wir heute nur bis Rheinau gehen. In Rheinau fährt nur einmal die Stunde ein Bus. Wir sollten es bis zu meiner Wunsch-Haltestelle „Rheinau Hallenbad“ schaffen können. Falls es knapp wird können wir auch eine oder zwei Haltestellen früher einsteigen. Um 13:00 Uhr wären wir so in zurück in Schöftland.

Am Rhein

Das Wetter passt. Die schlechten Prognosen haben sich zum Glück relativiert. Es ist zwar bewölkt, aber bleibt trocken. Ein schmaler Weg (Singletrail) führt direkt am Rheinufer südwärts. Gestern hat es uns gefallen. Aber heute sind wir schon nach wenigen Metern begeistert von der Route. Innerhalb der ersten Stunde Marschzeit haben wir mehr spezielle Tierkontakte, als dass wir Menschen treffen. Ich beobachte einen Aal, welcher sich direkt unter mir dem Ufer entlang gleitet und dann sich dann in den Böschungssteinen versteckt. Mehrer Eichhörnchen sind unterwegs. Wir sehen einige Fische springen und beobachten Taucherli mit ihren Jungen.

Taucherli

Alleine für diesen heutigen Morgen hat sich das Projekt schon gelohnt. Aus meiner Sicht ein sensationell schöner Weg hier entlang des Rheins. Ab und zu kommt uns ein Jogger entgegen. Wir treffen ein paar Fischer und ein paar Jugendliche, welche sich für das Wochenende ein Lager hier am Fluss erstellt haben. Aber sonst gibt es nur Natur und wir hier!

Am Rhein

Körperlich sind keine Beschwerden von gestern geblieben. Alles im grünen Bereich. Tempomässig sind wir etwas langsamer unterwegs, dies aber vor allem, da der teils enge Weg mit Wurzeln und Steinen mehr Aufmerksamkeit erfordert. Der „Ärger“ der letzten Nacht ist weggeblasen und wir geniessen einfach den Tag und die Natur!

Am Rhein zwischen Laufen und Rheinau

Ab und zu kommen wir in dieser unberührten Landschaft an einem massiven Betonbunker vorbei. Diese erinnern daran, dass wir uns entlang der Landesgrenze bewegen. Heute kann man sich fast nicht mehr vorstellen, wieso diese Bunker mal gebaut wurden. So sicher fühlen wir uns in der Schweiz seit Jahrzehnten.

Während der ersten Stunde, diskutieren wir einiges während dem marschieren. Dies ist zwar heute nicht so einfach, da wir viel hintereinander gehen müssen. Als es dann nach einer breiteren Passage, wieder enger wird und wir nicht mehr nebeneinander gehen können, haben wir uns anscheinend alles gesagt. Silvia wünscht jedenfalls, dass wir jetzt mal eine Phase ohne mündliche Kommunikation machen. – Als Mann hat man ja damit in der Regel wenig Mühe.

Schweigend dem Rhein entlang

Ich versuche auf der Karte abzuschätzen, wo wir uns in etwa befinden und daraus abzuleiten, ob wir es rechtzeitig bis „Rheinau Hallenbad“ schaffen werden. Gefühlsmässig müsste es reichen, viel Reserve haben wir aber nicht. Den Bus verpassen will ich aber auf keinen Fall, da uns eine Stunde Wartezeit in Rheinau nicht viel bringt. Ich habe das Gefühl, wir sollten das Tempo etwas erhöhen, kann ja aber wegen dem Schweigemarsch nichts sagen. Ich beobachte dann unsere Fortschritte auf der Schweizmobil-App. Tja, mein Gefühl täuscht nicht. So wie ich abschätze, reicht es mit wenig Marge bis „Rheinau Hallenbad“. Schlussendlich wird mir die Sache doch zu heiss und ich frage Silvia, ob sie etwas schneller gehen kann.

Am Rhein bei Rheinau

Mit meiner Aufforderung „wecke“ ich sie aus einem meditativen Zustand. Sie ist erstaunt, dass wir schon fast am Ziel sind. Die letzten paar hundert Meter geben wir dann noch etwas Gas, bis wir an der Bushaltestelle sind und unseren Bus auf sicher haben. Es waren zwar nur rund 7.5 Kilometer heute. Wir haben aber jeden Meter in vollen Zügen genossen!

Rheinau

Abspann

Der Bus kommt nach wenigen Minuten und gut zwei Stunden später sind wir zufrieden und glücklich zu Hause. Silvia holt den verpassten Schlaf nach und ich beginne, die Berichte über die ersten beiden Etappen zu schreiben. Zwei tolle Tage liegen hinter uns. Ich freue mich bereits, dass Projekt „Schweiz Nord-Süd“ weiterzuführen. Wann dies der Fall sein wird, ist noch nicht klar. Zuerst steht nun wieder ein wenig Ultra-Trailrunning an. Nächstes Wochenende geht es zum Trail d’Absinthe.

Am Rhein

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