Schweiz Nord-Süd / Etappe 8 / Rapperswil – Brunnen

Etappe 8: Rapperswil – Brunnen

Datum: Sa/So, 26./27. Mai 2018
Strecke: ca. 48 km
Marschzeit: ca. 9:15h
Teilnehmer: Martin

Vorgeschichte

Ursprünglich war mein „Schweiz Nord-Süd“-Projekt als Solo-Aktion geplant. Bis jetzt bin ich aber noch keine Etappe alleine marschiert, da sich die Sache auch gut als Familien-Aktivität realisieren lässt. Von Bargen bis Rapperswil stellten sich auch topografisch nicht allzu hohe Anforderungen. Ab jetzt wird es aber hügeliger und später sogar bergiger.

Da ich sowieso eine kleine Biwaktour machen wollte, beschloss ich diese 8. Etappe alleine zu laufen. Bei der Planung legte ich Brunnen als nächstes Etappenziel fest. In der Region Alpthal möchte ich biwakieren und zudem einen kurzen Abstecher auf den „Grossen Mythen“ machen.

Als sich dann ein regen- und terminfreies Wochenende ankündigt, will ich die Chance nutzen. Am Samstag Nachmittag fahre ich mit dem Zug nach Rapperswil, wo ich um 16:45 Uhr eintreffe.

Relive ‚Rapperswil-Brunnen‘

Rapperswil – Amslengschwänd (Biwak)

Sobald die Uhr GPS-Empfang hat, starte ich das Abenteuer. Zuerst geht es über den Holzsteg Richtung Hurden und dann weiter über den Seedamm nach Pfäffikon. Es ist ziemlich warm und hat entsprechend viele Leute unterwegs, welche den Abend geniessen. Ich versuche Tempo zu machen auf dieser flachen Strecke, das ist aber etwas mühsam, da ich den mit Biwakausrüstung recht gut gefüllten Laufrucksack nicht gewohnt bin. Nach knapp einer halben Stunde bin ich beim Bahnhof Pfäffikon und freue mich, dass es nun aufwärts geht.

Holzsteg in Rapperswil. In der Bildmitte (höchster Punkt) der Etzel, mein erstes Zwischenziel

Bald bin ich zum Dorf raus und komme in die Natur. Auf einem Event-Bauernhof wird eine Hochzeit gefeiert und ich keuche mitten durch den Apéro. Ich überquere die A3 und bald darauf geht es in den Wald. Ich nehme die Trekking-Stöcke vom Rucksack, welche ich seit dem UTMB wohl nie mehr benutzt habe. Entsprechend ist bei beiden die Verriegelung eingerostet und ich kann sie nur mit etwas Mühe wieder gangbar machen. Meine Vorbereitung war wohl nicht so seriös!

Ich nehme mir wenig Zeit um die tolle Aussicht auf den Zürichsee zu geniessen. Irgendwie bin ich im „Wettkampf-Modus“ und will heute noch möglichst viel Strecke zurücklegen. Bergauf leide ich etwas, bis ich einen guten Rhythmus gefunden habe. Ich habe ein ziehen in den Waden vom Unihockey gestern und eine Zehe schmerzt auch irgendwie. Zudem rutscht der linke Träger des Rucksacks immer von der Schulter, was mich nervt.

Blick vom Etzel auf den Zürichsee

Für die rund 680 Höhenmeter zum Etzel benötige ich dann schlussendlich gut eine Stunde. Alles im grünen Bereich. Als ich kurz den Laufrucksack ablege, beginne ich am nassgeschwitzten Rücken sofort zu frieren. Das macht mir etwas Sorgen im Hinblick auf die Biwaknacht. Ich muss vermeiden, dass ich nass in den Schlafsack schlüpfe, sonst könnte es eine ungemütliche Nacht geben.

Ich geniesse noch einmal den Blick zurück und freue mich, was ich bereits geschafft habe. Dann folgt aber der Blick nach vorne. Einsiedeln, das Alpthal und zuhinderst die beiden Mythen. Genug um mich ein paar Stunden zu beschäftigen!

Blick vom Etzel auf Einsiedeln, ins Alpthal und auf die beiden Mythen im Hintergrund

Mit dem Etzel beginnt für mich Neuland. In dieser Gegend war ich fast noch nie unterwegs und kenne mich absolut nicht aus. – Ich will so rasch wie möglich nach Einsiedeln und freue mich vor allem auf die reizvolle Strecke, welche danach folgt. Der Downhill bis runter an die Sihl geht rasch und flüssig. Danach wähle ich den Weg, welcher entlang des Sihlsees führt.

Hier ist es recht flach und man könnte wieder Tempo machen. Allerdings fehlt mir etwas die Lust und die Energie und ich hadere mit mir. Zum einen möchte ich heute noch möglichst weit kommen, zum anderen sollte man hier einfach die Gegend geniessen und nicht durchhetzen. – Schlussendlich finde ich dann die Gelassenheit und den Rest des Abends wird nur noch marschiert.

Am Sihlsee

Nach gut 2:30h Marschzeit treffe ich dann in Einsiedeln ein. Das bekannte Kloster ist eindrücklich und ich amüsiere mich etwas an den Souvenierständen, welche rundherum angeordnet sind. – Ich brauche keine Souveniers, dafür Wasser um meine Flaschen zu füllen. Ich hoffe auch auf einen Tankstellenshop oder so, damit ich mir noch ein Süssgetränk kaufen kann. Ich bin etwas ausgelaugt und fühle mich nicht so besonders. Ganz im Gegensatz zu den vielen Leuten, welche sich auf den Strassen aufhalten und den tollen Abend geniessen.

Kloster Einsiedeln

Ich verlasse meine geplante Route auf dem Wanderweg, da ich fast sicher bin, hier keinen Shop anzutreffen. Schlussendlich lande ich beim Bahnhof, wo es einen Migrolino hat. Meine Rettung. Fast noch besser ist aber das WC, welches ich auch gleich nutze. Im Migrolino hole ich mir nachher eine Flasche Eistee und einen Mandelgipfel. Die Flaschen fülle ich an einem Brunnen.

Frisch gestärkt geht es wieder weiter. Ich brauche einen Moment, bis ich wieder sicher auf meiner Route bin. Bald lasse ich Einsiedeln hinter mir und ein Bauer, welcher gerade sein Heu einfährt, ist die letzte Person für viele Kilometer und Stunden, welcher ich begegne.

Blick zurück auf Einsiedeln und den Etzel (rechts im Bild)

Die Route wird mich hoch über dem Alptal mitten durchs Naturschutzgebiet „Ibergeregg“ bis zur Holzegg führen. Ich hatte diese Route ursprünglich so geplant, dann aber wieder verworfen, da im Naturschutzgebiet das biwakieren verboten ist. Als ich dann aber letzte Woche das Video von meine Ultralauf-Kollegen Richi gesehen hatte, wollte ich unbedingt ebenfalls auf diesen tollen Trails wandern. Zuerst heisst es nun aber wieder Aufstieg. Fast 600 Höhenmeter sind bis zum Amselspitz zu bewältigen. – Mit Ruhe und Geduld gehe ich diese Herausforderung an. Es ist schon nach 20:00 Uhr und ich will spätestens um 21:30 Uhr ein Nachtlager gefunden haben.

Sonnenuntergang

Die Sonne senkt sich dann hinter den Hügeln der anderen Talseite. Wenn ich runter ins Tal schaue, bin ich froh, alleine hier oben zu sein. Ein Rehbock lässt mich nicht aus den Augen, bewegt sich aber nicht von der Stelle, als ich rund 40 Meter an ihm vorbeiziehe. Unterhalb vom Amselspitz beginnt dann das Naturschutzgebiet. Ich überlege, ob ich hier biwakieren soll, verzichte dann aber drauf, weil ich nicht am Morgen gleich einen steilen Aufstieg vor mir haben will. Den nehme ich heute noch, da ich auch noch etwas Zeit habe, bevor das Tageslicht schwindet.

Nach dieser letzten Steigung für heute, suche ich dann endgültig nach einer geeigneten Stelle fürs Nachtlager. Da der Weg das Naturschutzgebiet hier nochmals verlässt, ist die Übernachtung auch legal möglich. – Erfreulicherweise laufe ich dann an einen recht neuen Unterstand und es ist sofort klar, dass dies wohl der perfekte Ort ist.

Mein Platz fürs Nachtlager

Etwas irritierend ist, dass es hinter den Mythen am blitzen ist. Ich gehe aber davon aus, dass sich das Gewitter dort abschwächen wird und nicht bis hier rüber kommen wird. Rucksack weg, nasse Kleider weg, trockene Sachen anziehen, etwas Essen und Trinken und dann das Nachtlager vorbereiten.

Ich will den neuen Not-Biwaksack (Ultralite Double Bivi Bag) testen, welchen mir Thomas von www.unterwegs.ch empfohlen und verkauft hat. Das Ding besteht mehr oder weniger aus zwei Rettungsdecken, welche aufeinandermontiert sind und bietet Platz für zwei Personen. Thomas meinte, ich solle mich bei gutem Wetter besser nur drauf- und nicht reinlegen, da es durch die wärmereflektierende Folie zu heiss würde. Also lege ich mich mal mit Schlafsack und Matte im drauf.

Es wird aber bald klar, dass es keine romantische Sommernacht unter Sternenhimmel wird. Ich checke kurz das Regenradar und die Gewitterzelle kommt näher. Das deckt sich mit meinen Beobachtungen vor Ort. Zudem frischt nun auch der Wind auf. Ich hoffe immer noch, dass kein Regen kommt, schlüpfe aber vorsichtshalber mal in den Biwaksack.

Man hört fast keinen Donner, aber die Blitze nehmen nochmals zu und ich entscheide, meinen Schlafplatz in den Unterstand zu bewegen. An Schlaf ist nicht zu denken und ich warte immer, bis das Gewitter richtig loslegt. Irgendwie zieht es dann aber weiter weg vorbei und nahe Blitzeinschläge gibt es keine. Es gibt auch ein wenig Regen, ich und meine Ausrüstung bleiben aber Dank Unterstand und Biwaksack völlig trocken (Mit Ausnahme von etwas Kondenswasser im Biwaksack).

Eine erholsame Nacht wäre anders gewesen. Schlussendlich habe ich aber doch ein paar Stunden geschlafen, bevor um 5:00 Uhr der Wecker geht.

Amslengschwänd – Brunnen

Der Horror beim Camping ist am Morgen aus dem warmen Schlafsack zu steigen. Als ich rauskrieche bin ich überrascht, wie warm es ist. Das Thermometer zeigt immer noch ca. 16 Grad und der Start in den Tag gelingt so ohne Probleme. Okay, den Biwaksack bringe ich nicht mehr in die enge Hülle zurück, aber das war mir vorher schon klar.

Ich packe alles zusammen und mache mich auf den Weg. Zum Frühstück gibt es ein Brötchen, welches ich beim marschieren verzehre. Es folgt nun der absolut schönste Teil dieser Tour. Frühmorgens, mutterseelenalleine durch die Wälder und über die Wiesen dieser Hochmoorlandschaft. Von weitem sehe ich ein Auerhuhn und ein Reh macht ein paar Sätze in den Wald, als es mich sieht.

Im Winter kann man hier Schneeschuhtouren machen und ich schwöre mir, dass ich zurückkehren werde! – Im Südosten sind die noch schneebedeckten Alpen zu sehen, vor mir kommen die beiden Mythen immer näher und ich kann schon die Berghütte erkennen, wo ich einen Kaffee trinken will.

Betreffend trinken habe ich langsam ein Problem. Meine Flaschen sind beide fast leer und ich habe Durst. Ich komme zwar bei ein paar Hütten vorbei, dort hat es aber keine laufenden Brunnen. Ich hätte wohl etwas mehr Wasser aus dem Tal mitnehmen sollen. – Zeitlich mache ich meine Hochrechnungen. In 8 Stunden wie gehofft, werde ich es wohl nicht schaffen. Ich überlege mir schon, den „Grossen Mythen“ auszulassen um Zeit zu sparen.

Die Mythen vom Furggelenstock her

Etwa um 7:00 Uhr schreibe ich mich beim Furggelenstock ins Gipfelbuch ein. Es ist schon wieder so warm, dass ich aufs Kurzarm-Shirt wechsle. Psychisch etwas hart ist, dass ich hier nur 250 Höhenmeter unter dem „Grossen Mythen“ bin, bis dorthin aber 250 Meter absteige und dann wieder 500 Höhenmeter raufklettern muss. – Da ich aber eh noch Höhenmeter trainieren muss, beschliesse ich definitiv den Kaffee trinken zu gehen.

Bei der Alpwirtschaft Zwäcken hat es einen Selbstbedienungs-Kühlschrank und ich kaufe mir ein Fläschchen Rivella. So sieht das Leben gleich wieder besser aus. Beim Skihaus Holzegg ist die Sicht auf Brunnen dann zum ersten Mal frei. Die Uhr zeigt fast 35km und eine reine Marschzeit von gut 6:30h an. Nun folgt aber das „pièce de résistance“!

Mein Ziel Brunnen kommt in Sicht

Hier auf der Holzegg sind Sonntag früh um 7:40 Uhr schon erstaunlich viele Leute unterwegs. Mal kurz auf den Mythen scheint eine verbreitete Angewohnheit zu sein. Als ich den Aufstieg beginne, staune ich auch wie viele Leute schon wieder runter kommen. (Wikipedia sagt, an Speitzentagen steigen 2000 Leute hier hoch und wieder runter!) – Ich brauche ein paar Minuten, bis ich einen guten Rhythmus gefunden habe, dann geht es recht gut mit dem Aufstieg. Der Weg ist steil und teilweise exponiert. Ich mag aber solches Gelände, wo nicht mehr die Kilometer, sondern nur noch die Höhenmeter zählen. Schlussendlich schaffe ich den Aufstieg ab der Holzegg in knapp 45 Minuten. Das passt sportlich gesehen für mich.

Oben kurz die Aussicht geniessen, ein paar Fotos machen, einen „Plöffer“-Facebook-Post absetzen und dann Kaffee/Mandelgipfel/Rivella. Das Leben kann so schön sein!

Blick zurück vom Grossen Mythen (in der Mitte am Anfang des Tals der Etzel)

Sensationell ist, auf dieser Tour, dass man immer wieder sehen kann, woher man kommt und wohin es noch geht. Vom Mythen her ist die ganze Strecke ab Etzel einsehbar und auf der anderen Seite der restliche Weg nach Brunnen. – Den nehme ich dann auch bald unter die Füsse.

Blick nach Schwyz und Brunnen vom Grossen Mythen

Die Spannung ist nun weg und ich will so rasch wie möglich die Etappe abschliessen und nach Hause. Bis runter zur Holzegg benötige ich gut 20 Minuten. Dann 40 Minuten runter nach Schwyz. Von hier sind es noch rund fünf flache Kilometer rüber nach Brunnen. Eine „Verbindungsetappe“. In meinem Plan wollte ich diese in 30 Minuten joggen. Jetzt fehlt mir aber die Lust und die Energie. So wechsle ich wieder auf meine bewährte Ultra-Taktik: Bergab joggen, flach und aufwärts marschieren. Ich checke die Zugverbindung und sehe dass ich genügend Zeit habe und mich nicht beeilen muss.

Ich drehe mich öfter mal um und schaue hoch zum Mythen. Da oben war ich noch vor kurzer Zeit und habe nach hier unten geschaut. Der Weg führt dann am Kloster Ingebohl vorbei und rein nach Brunnen. Ich schaffe es dann noch, mich 100 Meter vor dem Bahnhof zu verlaufen und daraus 300 Meter zu machen. Spielt aber keine Rolle mehr.

Beim Bahnhof stoppe ich die Uhr, kaufe mir eine Tüte Chips und eine Flasche Wasser und löse dann das Billett nach Schöftland. Eine tolle Tour ist zu Ende!

Blick zum Grossen Mythen vom Bahnhof Brunnen

Fazit

Eine super Tour, welche ziemlich so geklappt hat, wie ich mir das vorgestellt hatte. Was ich für eine nächste Biwaktour ändern würde:

1.) Unbedingt mehr trinken. Ich hatte vor Brunnen bereits leichte Krampferscheinungen. Allenfalls sogar den Wasserfilter mitnehmen, wenn es mehrstündige Strecken in der Natur zu überbrücken gibt. Essen war weniger das Thema, da ich in einem Pulsbereich unterwegs war, welcher herrlich mit Fettverbrennung funktioniert.

2.) Biwakausrüstung optimieren. Der Unterstand, welcher zufällig am richtigen Ort stand, hat mir eine ungemütliche Nacht erspart. Ich würde nächstes Mal einen atmungsaktiven Biwaksack mitnehmen und zusätzlich eine wasserdichten Packsack für die Ausrüstung.

3.) Mit dem Laufrucksack funktionieren solche Sachen wunderbar, wenn man regelmässige Verpflegungsposten hat. Nächstes Mal würde ich wohl eher einen Wanderrucksack mitnehmen, in welchem mehr Ausrüstung (Biwaksack, Kleider, Flüssigkeit) Platz hat. So würde es etwas bequemer gehen, allerdings wäre dann joggen wohl nur noch bergab möglich.

Ausblick

Brunnen ist der Startpunkt zum „Weg der Schweiz„. Die Strecke bis Flüelen würde sich sich wieder tiptop für einen Familien-Wandertag eignen. Wir werden sehen, wann wir das anpacken wollen und können.

Danach geht es langsam an die Alpenüberquerung. Für die Strecke von Amsteg nach Biasca favorisiere ich momentan eine Route über Oberalp- und Lukmanierpass, statt einfach über den Gotthard zu watscheln.

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