Skitour Obere Bielenlücke – Hartes Brot!

Vorgeschichte

Kollege Urs macht schon seit 30 Jahren Skitouren und hat mir angeboten, mich mal mitzunehmen, wenn ich dann eine Skitouren-Ausrüstung hätte. Als ich nun endlich ausgerüstet war und meine erste Testtour absolviert hatte, wurde er also sofort über das tolle Ereignis informiert.

Die Reaktion folgte prompt. Für Sonntag um 7:30 Uhr wurde ich von Urs nach Realp aufgeboten. Die Obere Bielenlücke (3248m) steht auf dem Programm. Ich werde nervös. Meine 3 Sorgen sind:

1.) Werden meine Hotspots an den Fersen beim langen Aufstieg zum Problem?

2.) Schaffe ich die Abfahrt?

3.) Werde ich von Urs und Patricia im Aufstieg schon verheizt? (Ich vertraue hier auf die soziale Ader von Patricia, welche wohl Mitleid mit mir haben wird.)

Auf jeden Fall schlafe ich ziemlich unruhig vor dem grossen Tag. Nach 5:30 Uhr mache ich mich dann auf den Weg nach Realp. Kurz nach 7:00 Uhr treffe ich dort ein und beginne mich bereit zu machen. Um 7:15 Uhr kommt Urs alleine marschiert. Patricia wird heute nicht dabei sein. Mitleid ist also keines zu erwarten und Sorge 3 wird augenblicklich zu Sorge 1!

Aufstieg Obere Bielenlücke

Immerhin ist Urs mit meiner Ausrüstung zufrieden. Ich darf so mitgehen. Die ersten paar hundert Meter auf der verschneiten und gesperrten Furka-Passtrasse sind dann gemütlich und ich frage Urs ein wenig über seine Skitouren-Erfahrungen aus. Dann verlassen wir die Strasse und stechen rechts den Hang hoch. Weiter oben sehe ich andere Tourengänger, welche vor uns gestartet sind.

Es wird anstrengender und es wird vor allem auch technischer. Meine ersten Spitzkehren stehen an und Urs erklärt mir den Ablauf. Funktioniert zum Glück auf Anhieb einigermassen, wenn auch längst nicht so flüssig und geschmeidig wie bei Urs. Die Schneeobefläche ist noch etwas überfroren und ich rutsche öfters mal weg. Urs meint es ist Zeit für mich, die Harscheisen zu montieren. Also raus aus der Bindung, Harscheisen montieren und am Berg wieder rein in die Bindung. Dann geht es weiter.

Mit den Harscheisen fühle ich mich viel sicherer und habe das Gefühl, den 4-Rad-Antrieb eingeschaltet zu haben. Noch im ersten Steilhang überholen wir die erste Gruppe vor uns. Über die Ebene geht es dann am Hotel Galenstock vorbei und wir schliessen schon bald zu einer weiteren Gruppe auf. Urs hat einfach seinen unerbittlichen Trott drin. Ich kann mithalten, muss aber einfach mehr leisten, da meine Technik nicht wirklich effizient ist. Es wird nochmals steiler, bevor wir eine Hochebene erreichen und Urs mich anweist, die Harscheisen wieder abzunehmen. Er gönnt sich einen Becher Tee, während ich mit den Ausrüstungs-Manipulationen beschäftigt bin. Über die Ebene geht es wieder einfacher. Urs zeigt mir schon mal den Rückweg. Hier rechts oben ist der Schafberg und die Albert-Heim-Hütte. Dort wollen bei der Abfahrt durch.

Ich checke meine Uhr. Wir sind seit rund 1:45h unterwegs und haben etwa 800 Höhenmeter gemacht. Das ist erst die Hälfte des Aufstiegs. Von hier ist auch der weitere Aufstieg über den Tiefengletscher einsehbar. Ich beobachte die kleinen Punkte, welche sich die Wand hochschieben. Sind das tatsächlich Tourengänger? – Ich bin irritiert, da die Leute so klein sind und mir wird bewusst, wie steil und hoch dieses Ding ist! – Urs bemerkt trocken: «In einer Stunde sind wir auch dort oben!»

Aufstieg über den Tiefengletscher

Meine Hotspots entwickeln sich zu ausgewachsenen Blasen. Die sind zwar lästig, aber nicht wirklich ein Problem. Eine halbe Stunde benötigen wir über die Ebene und ich kann es geniessen. Dann beginnt die Steigung und schon bald montiere ich wieder die Harscheisen. Ich versuche an Urs dranzubleiben und vermisse schon bald Patricia! Mit ihr wäre es sicher gemütlicher hier. Bald muss ich abreissen lassen. Mangels Kraft und Technik kann ich nicht so steil steigen wie Urs und muss meine eigene Spur finden. Nach 2:50h haben wir 1’200 Höhenmeter geschafft. Kurze Pause. Urs nimmt einen Becher Tee. Meine 1.5 Liter Wasser sind bald durch. Urs meint wir brauchen keine Stunde mehr. Es sind aber noch 500 Höhenmeter und ich bin am kämpfen.

Dem Meister ist es eher langweilig mit mir

Zäh geht es weiter. Ich fühle mich zurück erinnert an den Aufstieg zum Männlichen bei meinem ersten Eiger Ultra E101. Meine Kraft ist am Ende und ich muss immer wieder kleine Pausen machen. Sorgen macht mir aber nicht der Aufstieg. Den werde ich schaffen, die Frage ist nur wie lange ich brauche. Aber im Gegensatz zum Männlichen damals, muss ich hier mit den Skis wieder runterfahren. Und vor dem habe ich mächtig Respekt. Urs steigt einfach weiter und entschwindet. Noch 200 Höhenmeter fehlen mir und ich will nicht mehr weiter. Ich rufe Urs zu, dass ich hier auf ihn warten werde und er alleine bis zur Oberen Bielenlücke aufsteigen soll. Er fordert mich auf, weiter zu steigen und ich gehorche. Hoch will ich ja schon, wenn nur die Abfahrt nicht wäre!

Dann endlich nach 4h Marschzeit hört der Steilhang auf und 10 Minuten später komme ich an der Oberen Bielenlücke an. Warme Jacke anziehen, die Skis auf Abfahrt umrüsten und dann noch ein paar Minuten die Aussicht geniessen. Diese ist sensationell, meine Gedanken drehen sich aber um die Abfahrt. Ich trinke noch ein paar Schlucke und esse ein Knoppers. Möglichst gut erholen, bevor es wieder runter geht.

„Gipfel“-Rast

 

Obere Bielenlücke – Blick Richtung Westen

Abfahrt nach Realp

Es ist etwas zügig und deshalb verweilen wir nicht lange. Ich atme nochmals tief durch, dann geht es los. Die Schneeoberfläche ist immer noch sehr kompakt und so ist es am Anfang fast wie Pisten fahren. Das kommt mir entgegen und ich kann mich etwas entspannen. Urs ist natürlich viel schneller und muss immer wieder warten. Ich will aber einfach sicher runterkommen und kein Risiko eingehen. Zwei Stunden Aufstieg sind in etwa 12 Minuten wieder weg. Ich bin froh, dass dies so gut geklappt hat.

Abfahrt

Schon bald fellen wir wieder auf und machen uns an den kurzen Aufstieg zur Albert-Heim-Hütte und weiter zum Schafberg. Das ist wieder mein Gelände und der Spass-Faktor steigt wieder merklich! Nach 5:15h Tourzeit stehen wir auf dem Schafberg und rüsten nochmals auf Abfahrt um. Hier ist der Schnee und tief und sulzig. Ich werde bedeutend stärker gefordert in dieser Abfahrt, schlage mich aber tapfer, wie ich finde. Urs bemängelt meinen mangelhaften Stockeinsatz und ich versuche mich zu verbessern. Nach 5:40h stoppe ich meine Uhr und steige aus der Bindung. Back in Realp.

Schafberg. Im Hintergrund Galenstock und Obere Bielenlücke

Nach einem Abschluss-Kaffee fahre ich erschöpft aber sehr zufrieden zurück ins Unterland.

Fazit

Meine Vorstellung war zwar etwas peinlich, das Erlebnis aber trotzdem sensationell! Die Ausrüstung passt, die Technik ist noch mangelhaft und die Kondition bzw. die Kraft fehlt. Das Anfangstempo war zu hoch für mich und das hat sich dann gerächt. Mit der Juli/August-Trailrunning-Form hätte ich sicher einen besseren Eindruck hinterlassen. Auf jeden Fall habe ich nun endlich einen super Grund, die Fitness auch über den Winter aufrecht zu halten!

Gerne wieder, Urs! Aber das nächste mal muss Patty mit!

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