Datum: Mi, 18.09.2019
Route: La Vachette – Briançon – Mont Dauphin – Col de Vars – Saint-Paul-sur-Ubaye
Brigitte’s Strecke: 74km
Anja’s Strecke: 34km
Anni’s Strecke: 33km
Martin’s Strecke: 33km
Tagwache ist heute um 5:00 Uhr. Der Plan sieht wie folgt aus: Chrige begleitet Brigitte und Anja mit dem Bike bis zum Mittagshalt in Mont-Dauphin. Silvia und ich supporten unterwegs mit dem Bus. Andrea, Karin und Anni erledigen die sonstigen Aufgaben und fahren mit dem Womo nach Mont-Dauphin um dort das Mittagessen vorzubereiten. – Nach der Rast gehen Anni und ich ebenfalls auf die Strecke, um Brigitte und Anja zum Col de Vars zu begleiten. Die Übernachtung soll dann je nach Fortschritt vor, auf oder idealerweise nach dem Col de Vars stattfinden.
Die drei Frauen machen sich kurz vor 6:00 Uhr auf den Weg. Silvia und ich fahren einen Kaffee später ebenfalls weg, mit dem Ziel irgendwo Pain au Chocolat zu beschaffen. In Briançon werden wir fündig und kaufen gleich mal einen grossen Sack davon. Anschliessend fahren wir zum ersten Treffpunkt bei 10 Tageskilometern.
Mit dem Trackmaxx-Livetracking können wir den Fortschritt der Läuferinnen beobachten und stellen fest, dass sie heute gut vorwärts kommen. Die Geschichten welche sie unterwegs erleben kriegen wir natürlich nicht mit. Zum Glück gibt es Fotos.
Um 7:35 Uhr hören wir dann Stimmen aus dem Wald und drei gutgelaunte Damen tauchen auf. Brigitte ist glücklich, dass es vorwärts geht. Chrige ist glücklich, dass sie ein wenig biken darf!
Kurzer Stopp nach 10 Kilometern
Nach gut 10 Minuten sind die Drei bereits wieder auf der Strecke. Brige will vorwärts machen und mit möglichst wenig Pausen weiterlaufen. Finde ich gut, weil das nach einer ausgedehnten Kaffeepause für uns Supporter tönt!
Also parken wir den Bus in L’Argentière-La-Bessée und suchen uns eine gemütliche Ecke in einem Kaffee. Ich rufe kurz im Geschäft an und stelle fest, dass mich niemand vermisst. Allerdings soll ich Arbeitsstunden visieren, damit die Lohnabrechnungen gemacht werden können. Also mach ich das und finde das Supporterleben grad sehr gemütlich. Vor dem Start hatte ich gedacht, ich hätte jeden Tag ein wenig Zeit um ein paar Sachen zu erledigen. Am Tag 6 ist jetzt aber das erste Mal, dass ich wirklich ein wenig Zeit habe.
Ich bin kaum fertig mit dem Stunden visieren, als Chrige anruft. Anja hat muskuläre Probleme und muss eine Pause machen. Wir müssen sie auf der Strecke aufpicken. Unser Kaffeekränzchen ist jäh vorbei und wir machen uns wieder auf die Socken. Die Läuferinnen sind auf einer Strasse unterwegs und dank Tracker haben wir sie bald lokalisiert.
Anja hat Probleme mit der Oberschenkelmuskulatur. Sie ist am Morgen entgegen ihrer Gewohnheit mit kurzen Hosen losgelaufen. Es war aber noch relativ frisch und da sie im Flachen etwas schneller laufen würde als Brigitte, kam sie nicht richtig in den Rhythmus und auf „Betriebstemperatur“. Sie steigt zu uns in den Bus und will sich bis zum Mittag etwas erholen, um dann am Nachmittag wieder einzusteigen.
Brigitte will möglichst ohne Pause bis zum Mittagshalt durchlaufen. Chrige hat Essen und Getränke dabei und wir verabreden, dass wir einen geeigneten Mittagsrastplatz suchen gehen. Falls sie Probleme hätten, würden sie uns anrufen. Es sind gut 20 Kilometer bis Mont-Dauphin, wo die Pause geplant ist.
Das Womo befindet sich immer noch hinter uns und so scouten wir die Gegend wegen dem Rastplatz. Wir finden dann einen idealen Platz, direkt an der Strecke und bei einem malerischen See. Es gibt eine öffentliche Toilette und ein kleines Restaurant für frischen Kaffee. Was will man mehr.
Anja legt sich im Bus hin und versucht sich zu erholen. Wir geniessen die Sonne und als auch das Womo eingetroffen ist, bereiten wir alles für die Mittagspause vor. Heute gibt es eine Punktlandung und Brige und Chrige treffen wenige Minuten vor 12:00 Uhr ein. Hier unten im Tal ist es schon wieder recht heiss und Brigitte hat heute Vormittag mit 41 Kilometern praktisch einen Marathon absolviert.
Brigittes Füsse haben die Eigenschaft, sich bei der langen Belastung immer mehr auszudehnen. Deshalb braucht sie mit Fortdauer der Reise immer grössere Schuhe. Sie fragt sich entsprechend durch die Schuhgrössen des ganzen Teams und weiss immer, wessen Schuhe sie als nächstes brauchen könnte. Für heute Nachmittag stellt Anni ein Paar zur Verfügung.
Die Mittagspause ist heute wirklich chillig. Die Stimmung viel entspannter als gestern. Die Läuferinnen (und der Läufer) freuen sich auf einen schönen Marsch auf den Col de Vars, die Betreuerinnen auf ein Bad im See. Heute Abend soll es wieder rechtzeitig Feierabend geben und morgen wollen wir den letzten hohen Pass vor Monaco in Angriff nehmen. Wettermässig soll morgen die kleine Störung kommen, nachher soll es aber bis zum Wochenende wieder trocken sein.
Vor 13:00 Uhr machen Brigitte, Anja, Anni und ich, uns auf den Weg. Die ersten 4 Kilometer führen flach durchs Tal. Ich finde es ziemlich heiss und ungemütlich hier. Die Mädels laufen ein ordentliches Tempo und ich warte darauf, dass es endlich aufwärts geht. Innen am linken Fussgelenk zieht es mir seit gestern. Nichts schlimmes, wenn ich aber zehn oder zwölf Stunden am Tag unterwegs wäre, würde es wahrscheinlich nicht mehr funktionieren.
Bei Anja sind die muskulären Probleme weg. Flach laufen geht gut. Aufwärts müsste keine Problem sein. Abwärts könnte es schwieriger werden. – Das Programm sieht wie folgt aus: Von 900 Metern geht es aufwärts auf 1’900 Meter. Dann 300 Höhenmeter Abstieg und nochmals 500 Meter hoch auf den Col de Vars (2’109m). Bis dorthin wollen wir unbedingt kommen.
Wie gesagt, ich bin froh, als endlich der Aufstieg beginnt. Es braucht heute viel Flüssigkeitszufuhr und deshalb halten wir immer Ausschau nach Brunnen. Ich trage jeweils 2 – 3 Flaschen Cola mit, welches super Läufer-Treibstoff ist. Lustige Szene dann in Risoul. Brigitte kühlt sich an einem Brunnen ab und füllt ihre Flasche. Sie ist ganz begeistert, als sie eine schöne Sonnenbrille im Brunnen findet. Es ist sogar eine Julbo-Brille. Die gefällt ihr extrem und schlussendlich kommt sie darauf, dass sie gerade ihre eigene Sonnenbrille aus dem Brunnen gefischt hat. Glück gehabt!
Meine sonst so geliebten Trekking-Stöcke habe ich im Bus gelassen. Da ich ja nur Teiletappen mitlaufe ist der Effekt von weniger Ermüdung bei mir nicht so wichtig. Wertvoller ist, dass ich die Hände fürs Handy frei habe und laufend navigieren kann. Hier hat es ein recht dichtes Wegnetz und ich versuche laufend die einfachste und kürzeste Route zu nehmen. Am Berg heisst kurz aber halt steil. Wichtig ist aber vor allem, dass wir uns nicht verlaufen und irgendwo umdrehen müssen.
Wir bewegen uns heute immer unterhalb der Waldgrenze und auf guten Wegen und Forststrassen. Für mich soweit ein perfekter Wandernachmittag.
Wir geniessen die Landschaft und die Gemeinschaft. Es gibt immer etwas zu erzählen, zu diskutieren und zu lachen. Aber es heisst auch konzentriert zu bleiben, um keine Fehltritte zu machen oder eine Abzweigung zu verpassen.
Vor 16:00 Uhr haben wir den ersten Aufstieg hinter uns. Für gut 13 Kilometer haben wir etwas weniger als 3 Stunden gebraucht. Nun geht es 3 Kilometer runter nach Vars, wo wir Karin und Silvia für die Zvieri-Pause treffen sollten. Ich erhalte von den beiden eine WhatsApp-Nachricht mit ihrem Standort.
Wie befürchtet schmeckt der Downhill Anja’s Oberschenkel-Muskulatur nicht wirklich und sie muss etwas langsamer machen. Brigitte schmerzen die Füsse und sie will so schnell wie es ihr geht vorwärts kommen. Also teilen wir uns auf. Anni läuft mit Anja und ich mit Brigitte vorneweg. Eine halbe Stunde brauchen wir für die 3 Kilometer und 300 Meter Abstieg. Um 16:30 kommen wir am tiefsten Punkt über die Brücke und erfreulicherweise warten dort alle Betreuerinnen. Gemeinsame Zvieri-Pause hatten wir bis jetzt selten.
Spannend ist, wie schnell es einem kalt wird. Die Temperaturen sind ja nicht gerade frostig. Wenn man aber körperlich gefordert ist, ordentlich geschwitzt hat und dann auf einmal ohne Bewegung im Schatten sitzt, kühlt man rasch aus. Wir wagen gar nicht, daran zu denken wie es bei Regenwetter wäre.
Anja macht hier Feierabend und will sich bis morgen erholen. Brigitte wechselt nochmals auf grössere Schuhe, diesmal ein Paar von Anja. Karin, Chrige und ich besprechen den restlichen Plan für heute. Den Pass schaffen wir auf jeden Fall. Nach der Passhöhe zweigt die geplante Strecke aber von der Passstrasse ab und ist nicht mehr zu supporten. Die Frage ist, ob wir stattdessen einfach auf der Passstrasse bleiben und dann an einer geeigneten Stelle das Nachtlager aufschlagen. Wir entscheiden, dass Chrige und Karin mit dem Wohnmobil einen Lagerplatz suchen. Andrea und Silvia sollen mit dem Bus beim Col de Vars warten. – Nach 15 Minuten Pause mache ich mich mit Brigitte und Anni wieder auf den Weg.
Bis zur Passhöhe sind es rund 8 Kilometer. Wir sind immer in der Nähe der Passstrasse und für Brigitte ist es mittlerweile angenehmer auf Asphalt zu marschieren, als auf unbefestigten Wegen. Mit den gereizten Fusssohlen ist das Auftreten auf der immer flachen Oberfläche mit weniger Schmerzen verbunden.
Tiere treffen wir auch ab und zu an. Heute ein Skelett eines Fuchses oder so. Und wenig später mein Highlight: Ich sehe zum ersten Mal im Leben eine lebende Schlange in freier Natur. Eine Ringelnatter wird von Brigitte aufgescheucht und schlängelt sich dann praktisch zwischen Annis Beinen über den Trail. Ich kann nur zusehen und staunen.
Schon nach wenigen Kilometern merkt Brigitte, dass die Schuhe von Anja für sie heute nicht funktionieren. Sie bekommt noch mehr Schmerzen und will die Schuhe so schnell wie möglich wieder wechseln. Annis blaue Hokas sind zum Glück noch im Bus und innert Minuten bringen uns Silvia und Andrea diese. Fliegender Schuhwechsel und weiter.
Um 18:30 Uhr sind wir auf der Passhöhe des Col de Vars. Auf der Strasse hat es überall Schriftzüge, welche von der Tour de France geblieben sind. Anni die leidenschaftliche Rennvelofahrerin blüht auf!
Die Entscheidung, ob wir auf geplanter Strecke (Wanderweg) oder der Passstrasse runterlaufen ist dann rasch getroffen. Übernachten werden wir auf einem Camping im nächsten Dorf, welches nach 9 Kilometer Passstrasse kommt. Brigitte geht es auf der Passstrasse einfacher zum vorwärtskommen. Und der Pass ist nun bei einsetzender Dämmerung auch fast nicht mehr befahren. Also die Strasse runter!
Andrea kommt uns mit dem Bike entgegen und lotst uns zum Campingplatz. Der Platz ist offziell ebenfalls bereits geschlossen und wir sind die einzigen Benutzer. Feierabend ist kurz vor 20:00 Uhr. Gemütliches Nachtessen, während die Sonne untergeht, die Quellwolken zusammenfallen und die Sterne am Himmel erscheinen.
Bevor es Nachtruhe gibt, ist nochmals Buchhaltung, Planung und Briefing angesagt. Brigitte will je länger, desto genauer wissen, was sie noch erwartet und wie lange die Tagsetappen sind. – Heute hat sie 74 Kilometer geschafft und wir stehen nun rund 160 Kilometer vor Monaco. Das würde heissen noch 2 Tage à rund 60 Kilometer und dann noch ein Marathon am Samstag.
Morgen wollen wir den letzten „richtigen“ Pass, den Col de Raspaillon (2’513m) überqueren. Bis dorthin sind es rund 33 Kilometer. Der nächste Campingplatz liegt dann bei Kilometer 53. Das ist sicher realistisch. Der übernächste Camping würde in Isola, 13 Kilometer später liegen. Finden wir etwas weit und wir legen das Tagesziel auf die 53 Kilometer fest.
Personell soll es so laufen: Brigitte startet um 6:00 Uhr mit Andrea als Fahrradbegleiterin für die 14 Kilometer Strecke talabwärts nach Jausiers. Silvia und ich fahren mit dem Bus direkt nach Jausiers, kaufen Pain au Chocolat und suchen einen Platz fürs Znüni. Das Womo folgt uns zu diesem Platz. – Nach der Znüni-Pause marschieren Brigitte, Anja, Anni, Chrige und ich die gut 20 Kilometer hoch zum Col de Raspaillon, wo Bus und Womo für die Mittagspause warten. Ab dort ist wieder Velobegleitung möglich und wir entscheiden je nach Lage, wie wir vorgehen wollen.
Der Plan sieht realistisch aus und wir können beruhigt in die Schlafsäcke kriechen.
Kommentare sind geschlossen.