Arnesee – Gsteig
Ich schlafe gut in dieser Nacht und wenn ich mal erwache, dann bewundere ich den sensationellen Sternenhimmel über mir. In der Morgendämmerung erwache ich dann richtig, bleibe aber noch ein wenig liegen und geniesse den kuschligen Schlafsack. Irgendwann nach 5:30 Uhr schäle ich mich dann raus und mache mich bereit für Tag 2. Der Westwind weht immer noch recht zügig. Für heute sind Gewitter und später eine Kaltfront angekündigt. Vorher will ich noch möglichst viele trockene Kilometer hinter mich bringen.
Kurz vor 6:00 Uhr ist alles zusammengepackt und ich starte die GPS-Uhr. Für die ersten Kilometer bis zum Lauenensee ist die Route klar. Nachher gibt es wieder Varianten und ich werde Entscheidungen treffen müssen.
Zuerst mal runter zum Arnesee. Gut 300 Meter Abstieg. Ideal zum warmlaufen. Nach 10 Minuten wird mir dann auch bereits zu warm und ich ziehe meine Fleecejacke aus und hänge diese an den Rucksack. Ich erhoffe mir eine Toilette und vielleicht einen Kaffee am Arnesee. Die Sonne reicht noch nicht bis zum Talboden, als ich am See ankomme. Ein paar Fischer sind bereits unterwegs, sonst liegt alles ruhig. Mit dem Kaffee wird es nichts, dafür treffe ich zu meiner Freude auf eine Kompost-Toilette. Ich erfahre darin, dass einige dieser umweltfreundlichen Toilettenhäuschen in der Region Gstaad aufgestellt wurden. Nach dem Geschäft wirft man mit einer kleinen Schaufel etwas Sägemehl ins Plumpsklo. Die ganze Mischung wird dann anscheinend kompostiert und am Schluss wachsen wahrscheinlich Erdbeeren aus der ganzen Kacke raus. 🙂 – Ich bin jedenfalls sehr dankbar für das Häuschen und bin nachher bereit für den ersten Aufstieg des Tages.
Es geht knapp 400 Höhenmeter aufwärts zum Blattipass, welcher den Übergang nach Gsteig b. Gstaad bildet. Nur mässige Steigung, Schatten, angenehme Morgentemperaturen und tolle Waldpassagen. So macht wandern Spass. Um nicht völlig in der Komfortzone zu versumpfen, schaffe ich es dann, ein paar Stromschläge bei einer missglückten Zaunpassage abzuholen. Auf jeden Fall bin ich nachher richtig wach. – Ich freue mich immer noch über den super Biwakplatz der letzten Nacht und schaue ein paar Mal übers Tal zurück zu diesem Ort.
Der Abstieg nach Gsteig verläuft am Anfang sehr lieblich über Alpweiden. Genusswandern! – Um 8:00 Uhr bin ich schon wieder zwei Stunden unterwegs und habe langsam Hunger nach einem Frühstück. Obwohl es gestern überhaupt nicht funktioniert hat, stelle ich mir auch heute wieder einen schönen Laden vor, wo ich einkaufen kann. Wunsch heute morgen wäre Caffè Latte und Schoggi-Gipfeli. Ich habe keine Ahnung, welche Infrastruktur Gsteig anbietet, einen kleinen Laden sollte es doch aber sicher haben!?
Bevor ich das prüfen kann, wird das Gelände aber nochmals ziemlich steil und etwas technischer. Es braucht etwas mehr Konzentration und die Stöcke sind wieder ein gute Hilfe, um sicher runterzukommen. Um 8:30 Uhr habe ich Gsteig erreicht. Die ersten fast 10 Tageskilometer liegen hinter mir. Zeit für Pause und Stärkung.
Peter’s Chäslade liegt erfreulicherweise fast auf meiner Route. Der Laden ist zwar eng, bietet aber alles, was mein Herz begehrt. Die Lust auf Süsses (Schoggigipfeli) ist bereits durch die Lust auf Salziges abgelöst worden. So kaufe ich mir eine Tüte Barbecue-Chips. Dazu Eistee, Apfelschorle und Cola. Und doch noch ein Cafè Latte für eine kleine Kaffeepause.
Ich setze mich auf die Sitzbank vor dem Laden und zum Zmorge/Znüni gibt es Chips mit Eistee. Schorle und Cola packe ich für später in den Rucksack. – Die Pause nütze ich für ein ausführliches Wetter- und Routenstudium. Die Kaltfront soll erst in der Nacht eintreffen. Schon am Nachmittag soll es aber in den Bergen zu Wärmegewittern kommen.
Bis zum Tungelpass nach dem Lauenensee ist meine Route klar. Dort wollte ich eigentlich (Hardcore-Route) nach Süden abbiegen und über Iffigenalp, Ammertepass, Engstligenalp, Daubensee nach Kandersteg wandern. – Auf dieser Route ist man aber sehr exponiert und es gibt wenig Übernachtungsmöglichkeiten. Und biwakieren will ich heute Nacht definitiv nicht. – Etwas schweren Herzens entscheide ich, vom Tungelpass direkt nach Lenk abzusteigen und dann auf die Original-Via-Alpina zu wechseln.
Ich checke auch gleich noch die Strecke für den dritten Tag. Damit es mir bis morgen Abend auf die Griesalp reicht, muss ich heute bis Adelboden kommen. Dann habe ich morgen zwei Via Alpina-Etappen mit rund 31 Kilometern zu bewältigen. Das ist machbar. – Wie viele Kilometer es heute bis Adelboden sind, überprüfe ich unbewusst nicht.
Gsteig – Lauenensee
Also: Das Ziel für heute ist mit Adelboden gesetzt und Chips und Eistee sind gebunkert. Rucksack auf den Rücken und weiter gehts. Das Caffè Latte gönne ich mir, während ich aus Gsteig raus wandere. 600 Höhenmeter bis zur Chrine stehen an, danach 400 Meter Abstieg zum Lauenensee. Der Start gleich wieder vielversprechend entlang eines plätschernden Bächleins.
Die Temperatur steigt langsam an und der Schweiss beginnt aus den Poren zu rinnen. Stimmung aber immer noch gut und entspannt. Ausser in Peter’s Chäslade habe ich noch fast keine Leute angetroffen heute. – Etwas komisch dann eine Begegnung mit einem Mann, welchen ich aus der Ferne grüsse. Er steht auf dem Balkon seines absolut einzeln gelegenen Chalets (nächstes Haus 1km entfernt) und hat eine Gesichtsmaske aufgesetzt! – Ich wähne mich schutzlos im Corona-Hochrisikogebiet.
Es geht weiter aufwärts und es gefällt mir weiterhin. Ich bin gespannt auf den Lauenensee. Vor ein paar Jahren war ich mal in Saanenmöser an einem Seminar. An einem freien Nachmittag sind wir dann kurz an den Lauenensee gefahren und haben einen Kaffee getrunken. Wie es dort ausgesehen hat, weiss ich aber nicht mehr. Wenn man sich die Sachen selber erwandert, sind die Erinnerungen schon nachhaltiger habe ich das Gefühl.
Ein gedankliches Problem wälze ich seit gestern. Ich versuche Melodie und Text von Patent Ochsners „Louenesee“ zusammenzubringen. Aber irgendwie habe ich keine Chance. Wenn ich an Büne Huber denke, kommt mir immer nur das legendäre „Fussball ist doch ein Pussy-Sport!“-Interview in den Sinn. O-Ton Büne: „… o nachhär isch irgend en Scheiss-Ball wo irgendwo i d’Gelateria ine flügt. O nähär gränne si! …“ . Aber Text und Melodie von „Louenesee“? – Kein Plan.
Ein Nebenprodukt dieses Problems ist, dass mir dafür Alperose von Polo Hofer dauernd nachläuft. „Blüemlisalp ire Summernacht, …“. Legendäres Lied, aber wenn es dir seit 25 Wanderkilometern nachläuft, nimmt die Begeisterung ab. Ich hoffe dafür, morgen vor der Nacht an der Blüemlisalphütte vorbeizukommen!
Nachdem ich die Chrine erreicht habe, beginnt der Abstieg zum See. Hier treffe ich jetzt auf andere Wanderer. Man merkt, dass diese Region touristisch stärker frequentiert ist.
Was mir gefällt ist der Blick runter auf den See. Was mir weniger gefällt, ist der Blick auf die bewaldetet steile Wand hinter dem See. Dort muss ich als nächstes rauf. Das Ding ist fast senkrecht und ich kann mir inzwischen ziemlich genau vorstellen, wie es sich anfühlen wird.
Vom Lauenensee selber bin ich dann schlussendlich eher etwas enttäuscht. Unbestritten ein schöner Platz, aber die Vorschussloorbeeren in meinem Kopf waren einfach zu gross. Dafür hält es sich mit den Leuten noch in Grenzen. Es hat zwar einige, aber völlig überlaufen ist es nicht. Was mir gefällt, sind die Sonnenschirme beim Restaurant, welche schon weitem locken. Da gönne ich mir ein kühles Getränk.
Im Restaurant geniesse ich einen halben Liter Eistee und werfe zwei Salztabletten ein. Toilettenpause und Zwischenbuchhaltung: 4.5 Stunden Wanderzeit, 18km erledigt, es ist kurz nach 11:00 Uhr. Ich liege tiptop im Rennen, habe ich das Gefühl. Das Wetter ist immer noch strahlend und es sind noch nicht allzuviele Wolken am Himmel. Das sollte noch halten. – Ich kaufe mir noch einen halben Liter Apfelschorle zum mitnehmen und mache mich wieder auf die Socken.
Lauenensee – Lenk
Bis zum Tungelpass sind es 700 Höhenmeter. Richtig steil sind die ersten rund 250 Höhenmeter, nachher geht es flacher über Alpweiden. Unterwegs hätte es sogar noch eine Bergbeiz bei der Alp Stierentungel. – Pause und Erfrischung haben gut getan und ich finde sofort einen guten gleichmässigen Rhythmus, welchen ich ohne Pause durchziehen kann. Ich kann trotz schwerem Rucksack ein paar Leute überholen und das tut dem Ego gut.
Das Steilstück ist rasch überwunden und es geht auf einem tollen Weg, flüssig über die Weiden weiter. Ich beobachte ständig das Wetter und versuche auch wirklich viel zu trinken. Die Flasche Apfelschorle wollte ich mir eigentlich für die Passhöhe aufheben. Schlussendlich habe ich aber das Gefühl, je eher ich diese trinke, desto früher stehen mir Flüssigkeit und Kalorien zur Verfügung. Das Gewicht trage ich ja eh mit, aber wahrscheinlich einfacher im Magen, als im Rucksack. Nahrung nehme ich praktisch keine zu mir und ich habe das Gefühl, ich kann mit genügend Flüssigkeit den ganzen Tag wandern. „Louenensee“ kommt mir immer noch nicht in den Sinn, „Alperose“ läuft mir immer noch nach!
An der Alp Stierentungel marschiere ich dann ohne Pause vorbei und 10 Minuten später stehe ich auf dem Tungelpass. – Kurze Pause, Apfelschorle fertig trinken und Routenentscheidung treffen. – Nach Westen hat es nun deutlich mehr Quellwolken und die Entscheidung ist rasch getroffen: Auf schnellstem Weg nach Lenk und dann weiter nach Adelboden. Das Iffigtal lasse ich für heute rechts liegen. – I’ll be back!
Bis runter ins Tal zieht es sich. Es sind fast 10 Kilometer. Ich versuche Gas zu geben, aber mit wohl 18kg auf dem Rücken ist das kein Trail-Running. Meine „Freestyle“-Routenplanung beginnt sich nun etwas zu rächen. Mittlerweile bin ich schon über 7 Stunden unterwegs und die aufziehenden Wolken künden eine Rennen gegen die Gewitter an. Es wird mir dann klar, dass ja die Strecke von Lenk nach Adelboden eine ganze Via Alpina-Tagesetappe ist. Und diese Etappen dauern in der Regel nicht nur 2 Stunden und sind nur 8 Kilometer lang! – Fazit: Der Tag könnte noch lang werden!
Ab Färiche bis Ey dann wieder mal ein wunderschöner „gelber“ Wanderweg. Da ich mir die „roten“ Bergwanderwege gewohnt bin, ist ein gelber wie Ferien. Die Passage würde ich als „stressiges“ Genusswandern bezeichnen. Es fallen ein paar einzelne grosse Tropfen und ich getraue mich nicht, nach hinten zu schauen und die Grösse der Wolke zu eruieren. Dann ist wieder fertig.
Im letzten Abstieg zum Talboden beginnt es dann wieder zu tropfen. Ich entscheide mich, die Regenjacke und die Schutzhaube auf den Rucksack zu montieren. Während ich die Sachen hervorhole, ist der Spuk schon wieder vorbei und ich verpacke das Zeug wieder. Anscheinend komme ich nochmals davon.
Lenk – Adelboden
Gesucht nun: Die schnellste Route nach Adelboden. In Ey am Talboden angekommen, wandere ich nicht talauswärts nach Lenk, sondern halte mich kurz taleinwärts Richtung Simmenfälle, um dann denn bei Sumpfbach den steilen Bergwanderweg nach Metsch hoch zu nehmen. Es ist 15:00 Uhr als ich am Fuss der Steigung bin. Der Hahnenmoospass liegt knapp 900 Höhenmeter über mir. Ab da kann ich es nach Adelboden „rollen“ lassen. Kurze Wetterbeobachtung: Ich bin recht zuversichtlich, dass ich es trocken über den Pass schaffe.
Wie heisst es immer: „Im Gebirge wechselt das Wetter innert Minuten“ – Und da ist was dran: 15:25 Uhr stehe ich zwar bereits 200 Meter über dem Talboden. Ich stehe aber auch unter einer dunklen Wolke, welche sich nun auspinkeln will. Rasch Regenjacke und Rucksack-Schutzhaube übergezogen und schon geht es richtig los. Ich stehe schutzlos in einer steilen Wiese und bald verwandelt sich der Regen in Graupelschauer. Ich hoffe, es beginnt nicht richtig zu hageln.
Leichte Panikstimmung beim müden Martin. Ich erinnere mich dann aber an die unzähligen Himalaya-Hochgebirgs-Erfahrungsberichte, welche ich schon gelesen habe. Ich habe kein Problem mit Sauerstoffmangel, ich werde nicht erfrieren, es gibt keine Lawinen hier, ich habe genug Essen und Getränke, die Situation wird nicht mehrere Tage dauern. Und wenn bei jedem Gewitter irgendwelche Lebewesen vom Blitz getroffen würden, dann wären wohl nur noch die halben Kühe auf den Alpweiden. – Kurz: Ich befinde mich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr. Die Situation ist einfach nur ausserhalb meiner Komfortzone.
Ich marschiere noch 4 Minuten weiter und erreiche einen Stall, unter dessen Vordach ich mich stellen kann. Rucksack weg, Cola trinken, Route studieren. Schuhe und Hosen sind völlig durchnässt und ich habe die Schnauze etwas voll. Ich beschliesse, auf der Metsch zu übernachten und morgen früh über den Pass zu gehen. Wird halt der morgige Tag etwas länger. Zum Nachtessen stelle ich mir Rahmschnitzel mit Nudeln und so einen Liter alkoholfreies Panaché vor.
Ich google nach Übernachtungsmöglichkeiten auf der Metsch und stelle fest, dass es eine Lodge gibt. Google teilt mir aber auch mit, dass diese Lodge leider geschlossen hat. Ich suche noch ein wenig, muss aber feststellen, dass es mit einem Zimmer auf der Metsch schlecht aussieht. – Während der Googelei hat sich die Wolke verzogen und es scheint schon wieder die Sonne. – In Anbetracht der Tatsache, dass ich wohl doch nach Adelboden muss, marschiere ich wieder los, um keine Zeit zu verlieren. Nach 5 Minuten bereits der nächste Stopp, da es in der Regenjacke zu heiss wird und die Sonne nun wieder voll durchschlägt.
Die Steilstufe ist dann rasch überwunden und es geht wieder ins Weidegebiet. Der Regen hat zwei unmittelbare Effekte ausgelöst. Erstens ist es nun brutal schwül und zweitens sind die Pferdebremsen (Insekt) brutal aggressiv. Ich kann mich kaum wehren vor diesen Viechern und sie versuchen einfach überall zu stechen. Meine erst vorhin wiedergefundenen Nerven liegen innert Kürze blank! – Dass diese Gebiet auf der Karte als „Sumpf“ bezeichnet ist, ist wohl kein Zufall. Zum Glück komme ich dann in einen Wald und in eine neue Geländerkammer und dort hört die Plage auf.
Ich durchquere das Skigebiet Lenk mit diversen Liftanlagen und komme dann in das liebliche Tal, welches hoch zum Hahnenmoospass führt. Die Gebäude dort oben sind schon von weitem sichtbar und meine Stimmung hebt sich, da ich bald oben sein werde. Ich google wieder und stelle fest, dass man auf dem Hahnenmoospass übernachten könnte. Es sieht aber eher nach Schlafsaal, denn nach Einzelzimmer aus und wenn die kein Rahmschnitzel auf der Karte haben, habe ich keine Restaurant-Alternative auf dem Pass. Kurz nach 17:00 Uhr sollte ich den Pass erreicht haben und dann bleibt mir noch genügend Zeit, um zu christlicher Zeit nach Adelboden zu kommen.
Schon von weitem kann ich die Modell-Segelflieger sehen, welche im laminaren Westwind soaren. Die Männer oder Jungs an den Fernsteuerungen scheinen viel Spass zu haben. Eine Gruppe von Mountainbike-Nachwuchshoffnungen ist anscheinend im Trainingslager hier oben. Die Mädels und Jungs kommen grad von einer Trainingsfahrt zurück und verschwinden nachher in der Gruppenunterkunft.
Meine Uhr Zeit 10.5 Stunden reine Wanderzeit und ziemlich genau 40 Kilometer Strecke, als ich auf dem Pass stehe. Der Wegweiser zeigt über zwei Stunden nach Adelboden. Ich hoffe, das auf 1.5 Stunden drücken zu können. Ob der Himmel die Schleusen für diese Zeit geschlossen hält sieht alles andere als wahrscheinlich aus. – Also „Go for the finish!“
Die Trekkingstöcke haben Feierabend und wandern an den Rucksack. Ich befinde mich nun wieder auf der Original-Via-Alpina-Route und diese verläuft bis „Geils“ auf der Asphalt-Strasse. Das tönt zwar nicht sexy, kommt mir aber gegenwärtig sehr entgegen, da ich ja noch ein Zimmer buchen muss. Smartphone zücken, googeln, Booking.com und wenn ich dann noch die 3-stellige Sicherheitsziffer der Kreditkarte gewusst hätte, wäre alles in der Bewegung möglich gewesen. – Die Wahl fiel auf die „Revier Mountain Lodge“, welche einen guten Eindruck macht, bezahlbar ist und sich vor allem direkt an meiner Route befindet. Ich freue mich an den heutigen technischen Möglichkeiten und bin müde, aber guter Laune. Eigentlich bleibt nur noch die Suche nach dem Rahmschnitzel als Herausforderung für heute.
Petrus sieht das anders und zieht als nächsten Trumpf nochmals eine Gewitterzelle. Ich flüchte gemeinsam mit zwei welschen E-Bikern unter das Vordach einer Hütte. Rucksack weg, Regenjacke an, Rucksack auf. – Als der Regen dann nach ein paar Minuten etwas nachgibt, vertraue ich auf die Erfahrungen des ersten Gewitters und verabschiede mich mit einem „On y va!“. Ich bin aber der einzige, welcher sich in Bewegung setzt und kaum bin ich 50 Meter marschiert, dreht Petrus die Schleusen wieder richtig auf.
Zum Glück erreiche ich nach wenigen hundert Metern das Bergbahn-Drehkreuz „Geils“ und kann mich wieder unterstellen. Die ganze Sache ist mir nun aber richtig verleidet und es wird mir klar, dass nun die Zeit für den „Irontrail T201„-Modus gekommen ist. Ich krame die Goretex-Regenhosen aus dem Rucksack und montiere diese. Dann geht es los. Ich werde bis zum Hotel nicht mehr stoppen und ich werde auch keine Kleider mehr ausziehen!
Für die restlichen 6 Kilometer bis zum Hotel benötige ich 1h 10 Minuten. Ich bin körperlich und mental ziemlich auf den Felgen und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde die letzen 100 Meter Anstieg ins Dorf genossen zu haben. Vorwärts bringt mich vor allem der ständige Gedanken an Rahmschnitzel und alkoholfreies Panaché. (Und natürlich das stets präsente „Alperose“ von Hascher-Päuli!).
Tja, und was macht man dann, wenn man endlich am Ziel ist? – Man läuft in seiner Dämlichkeit am Hotel vorbei. Irgendwann denke ich, das müsste doch schon längst gekommen sein. Und ja, es war schon längst gekommen und ich habe es nicht erkannt! – Mein Wendepunkt liegt aber genau vor der Menükarte des Restaurant „Vogellisi“. Und während dem Wendemanöver studiere ich diese Menükarte und entdecke als „Bunderspitz“ bezeichnet, das Rahmschnitzel mit Nudeln! Treffer!!! – Der Wandertag endet um 19:00 Uhr nach 12:05h reiner Wanderzeit und mit einer Leistung von 48km und 2’500 positiven Höhenmetern. Dieser Feierabend ist wahrlich verdient.
Die Buchung hat anscheinend geklappt und ich bekomme einen Code für mein Zimmer. Das Zimmer ist genau so breit, wie ein Bett lang ist. Mir gefällt natürlich das viele Holz und als Highlight dient das Panoramafenster direkt am Bett.
Praktisch sind die vielen Haken an der Wand zum Kleider trocknen. Am wichtigsten ist mir aber eine heisse Dusche. Trockene Kleider und vor allem Schuhe anziehen und dann direkt ins „Vogellisi“. Ich habe Glück und trotz fehlender Reservation kann ich direkt an einem Einertisch Platz nehmen. Alkoholfreies Panaché gibt es leider nicht, als Ersatz ordere ich einen halben Liter Eistee, welchen ich geleert habe, bevor ich den Bunderspitz bestellen kann. Die Nudeln sind mir etwas zu fad, das liegt aber wahrscheinlich an meinem übersteigerten Bedarf nach Salz. Nach dem zweiten Eistee überlege ich noch an einem dritten rum, lasse das dann aber sein.
Zurück im Zimmer dann noch ein wenig die Social-Media-Kanäle bedienen. Die ganzen Heldentaten bringen ja gar keinen Ruhm, wenn niemand davon erfährt. Dann bei herrlicher Abendstimmung am Panoramafenster friedlich einschlafen. „Louenensee“ bringe ich immer noch nicht zusammen. – Morgen geht es nach Kandersteg und dann direkt rüber zur Griesalp. 31 km. Oeschinensee als Highlight (war ich noch nie. Ist der spekakulärer als der Lauenensee?) Blüemlisalphütte mit über 2’800m als höchster Punkt meiner Tour. „Blüemlisalp ire Summernacht …“ begleitet mich in den Schlaf!
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