Zum Saisonabschluss wollte ich mir noch einen „lockeren“ Flachland-Marathon gönnen. So habe ich mich also für den SwissCity Marathon in Luzern angemeldet. Da ich die lezten Wochen nur wenig trainiert habe, war ich eigentlich nicht sehr ambitioniert. Ich bin aber davon ausgegangen, dass ich meine beste (und einzige) Marathon-Zeit vom Frühling in Zürich (3:48h) verbessern würde. (Wie man sich täuschen kann)
Folgende Ziele habe ich mir für Luzern gesetzt:
1.) Einen Negativ-Split laufen
Das heisst die zweite Hälfte schneller als die erste laufen. In Zürich war ich zu schnell gestartet und deshalb eingebrochen. Das sollte mir hier nicht mehr passieren.
2.) Die erste Hälfte unter 2h laufen
Der Negativ-Split ist einfach, wenn man die erste Hälfte verbummelt. Deshalb dieses zweite Ziel.
3.) Kein Hungerast / keine Krämpfe
Richtig und genügend verpflegen. Dies im Hinblick auf längere Rennen.
4.) Have fun / A smile on the finish line
Ja, das stellt man sich ja immer so schön vor!
Der Marathon-Wetterbericht vom Samstag Abend tönte toll. Es soll trocken bleiben, bei angenehmen Temperaturen. Glaub nie einem Wetterfrosch. Als ich am Sonntag morgen beim Verkehrshaus vom Schiff gehe, fallen die ersten Tropfen. Startnummer abholen geht sehr gut, anschliessend trinke ich noch einen Kaffee und konsultiere das Regenradar. Das sieht nach „Wet Race“ aus. Ich überlege mir, wie ich das nun am Besten organisiere, damit ich nicht schon vor dem Start total nass bin. Schlussendlich entschliesse ich mich zu folgendem Tenü: kurze Hosen, Langarm-Shirt, Laufjacke vor dem Start (binde ich fürs Rennen um), Mütze. Die Bauchtasche mit den Energie Gels nehme ich nicht mit und vertraue stattdessen auf die offizielle Verpflegung. Nach dem umziehen kann ich mir noch eine Pellerine der SUVA ergattern und bin so bis zum Start gut vor dem Regen geschützt.
Entgegen meiner Gewohnheit, laufe ich mich heute sogar mal ein. Damit will ich die grossen Pulsschwankungen am Start verhindern. Ich starte in der Gruppe mit Endzeit von 3:45 bis 4:00h. Ich will ja aber unter 3:45h ankommen. Pünktlich um 9:10 Uhr werden wir losgelassen. Es ist ein ziemliches Gedränge, da die erste Runde gemeinsam mit den Halbmarathonern gelaufen wird. Ich halte mich zurück, es gelingt mir aber trotzdem nicht, den Puls unter 160 Schlägen zu halten. Die Strecke ist schön, mit Sicht auf die umliegenden Berge. Es hat allerdings pro Runde 3 kurze Steigungen drin. Beim 100km würde ich diese Steigungen gehen, aber bei einem Marathon läuft man diese! Der Puls geht dabei ins nirgendwo.
Ich trinke bei jeder Verpflegungsstelle Wasser und esse Bananen, wo es solche gibt. Bei Kilometer 25 drücke ich ein Gel runter. Mir fehlt das Bündnerfleisch der Ultratrails! – Nachdem ich bei der ersten Verpflegung laufend trinken will und das Wasser durch die Nase reinziehe, mache ich nachher jeweils eine Gehpause.
Zuschauermässig sind die Highlights der Strecke am Ende der Runde. Die KKL-Passage ist toll und der anschliessende Lauf durch die Altstadt ebenfalls beeindruckend. Die Halbmarathoner sind nun schon im Endspurt und wir Marathoner machen uns bereit für die zweite Runde. Etwas hart ist es immer, wenn man Richtung Wendemarke läuft und die vor einem liegenden Läufer bereits entgegenkommen. Ab dem Wendepunkt hat es dann viel weniger Läufer auf der Strecke. Im Vergleich zu einem Ultratrail ist aber immer noch „viel Verkehr“ und es verleitet zum anhängen und überholen. Dies kann einem zwar helfen, es besteht aber auch die Gefahr, dass man zu schnell läuft. Mehr als einmal beobachte ich Läufer, welche zu zweit oder dritt laufen. Das kann hart bis gefährlich für den schwächsten der Gruppe werden, wenn er andauernd überfordert ist.
Die Halbmarathonmarke passiere ich mit einer Zeit von 1:53h. Eine leichte Enttäuschung, da ich dies in Zürich in 1:48 geschafft habe. Immerhin fühle ich mich körperlich besser als damals. Der Regen hat aufgehört und es scheint sogar kurz die Sonne. Ungefähr bei km 23 kommt mir der Führende entgegen. Unglaublich, was der für ein Tempo durchzieht, obwohl es noch nicht mal ein Weltklasse-Läufer ist. Ich zähle nun die Kilometer rückwärts. Bei den Steigungen überwinde ich meinen Stolz und marschiere. Ich will mich nicht „verheizen“ und nachher mit Krämpfen durchs KKL humpeln. Ein Läufer überholt mich mehrmals, muss dann aber immer wieder stoppen und dehnen, da ihn Krämpfe plagen. Es hat nun auch viele Läufer, welche auf den Flachstücken marschieren. Insbesondere dort, wo es keine Zuschauer hat.
Ich kämpfe auch etwas und der Puls ist mittlerweile ständig über 170. Ich will aber bis ins Ziel durchlaufen und es ist motivierend, dass ich dauernd überholen kann und nur selten überholt werde. Meine Rennteinteilung ist definitiv besser sie es in Zürich war. Irgendeinmal fallen die restlichen Kilometer in den einstelligen Bereich und ich beginne zu rechnen, wie meine Endzeit wohl aussehen wird. Ich stelle fest, dass mein zweiter Marathon wohl langsamer als der erste sein wird. Kleine Enttäuschung. Das hilft jetzt aber nichts. Nicht denken, laufen! Erfreulicherweise habe ich heute absolut keine Krampferscheinungen und auch der Energiehaushalt stimmt. Den hohen Rhytmus über fast 4 Stunden durchzuhalten ist aber schon hart.
Zum zweiten Mal durchs KKL. Seit Horw werden wir jeweils vom Speaker mit Namen angekündigt. Dann in die Altstadt. Es herrscht eine tolle Stimmung. Nun noch bis ins Verkehrshaus. Ich rechne: Noch zwei Kilometer, das sind ungefähr 12 Minuten. Die Spannung ist weg, das Ziel in Reichweite, nun einfach noch fertig laufen. Dann ist es geschafft! Ich muss dringend pinkeln und entdecke ein ToiToi bei der Sanität. Die Sanitäterinnen wollen mich sogleich behandeln, ich winke ab und beim pinkeln wollen sie dann nicht helfen. Danach starte ich sofort die Regeneration mit einem Bier (leider alkoholfrei). Die weiteren Höhepunkte sind eine heisse Dusche im Garderobenzelt und eine Cervelat vom Grill. Die Uhr ist schlussendlich bei 3:51:25 stehen geblieben. Keine persönliche Bestzeit, aber trotzdem eine positive Erfahrung!
Zielerreichung:
1.) Einen Negativ-Split laufen
Ziel klar verfehlt. Die zweite Hälfte war etwa 4 Minuten langsamer als die erste. Der Einbruch ist aber wesentlich geringer als in Zürich, wo der Unterschied 12 Minuten betragen hat. Ich versuchs beim nächsten Mal nochmals!
2.) Die erste Hälfte unter 2h laufen
Das habe ich gut geschafft.
3.) Kein Hungerast / keine Krämpfe
Das hat ebenfalls gut funktioniert. Ich konnte mich genügend verpflegen und hatte bis ins Ziel und auch danach keine Probleme mit Krämpfen.
4.) Have fun / A smile on the finish line
Ein Marathon ist kein Kindergeburtstag und der Fun hält sich für mich während dem Rennen in Grenzen. Ich hatte aber nie das Gefühl, völlig am Anschlag zu sein. Und im Ziel ist dann sowieso immer alles wieder gut!
Lessons learnd
Ich werde wohl nie der Strassen-Marathon-Typ werden. Die gleichmässige und hohe Belastung ist ziemlich zermürbend und es fehlt die Abwechslung. Zudem ist viel „Wettkampfieber“, dafür wenig Naturerlebnis enthalten. Ich denke den nächstes Mal versuche ich mal bewusst mehr als 4 Stunden zu brauchen und zu spüren, wie sich das anfühlt.
Ich habe nun Lust auf Grundlagentraining mit niedriger Intensität!
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